Jitter’s Wunderblock Gespräche über Bilder. No. 3 »TintensÄue« Im Fleck, einem Tinten- oder Kaffeefleck, Gestalten zu erkennen, war für den Arzt und Romancier Justinus Kerner (1786–1862) nicht nur eine unterhaltsame Spielerei. Vielmehr war es für ihn Mittel der Erkenntnis, galten ihm die »magischen Urbilder« doch als unmittelbarer Ausdruck der Seele. Man spürt sogleich eine Nähe nicht nur zu André Bretons Definition des Surrealismus als »psychischen Automatismus« und die »dessins automatique« von André Masson, auch die Maltechnik eines Jackson Pollock und der ganze abstrakte Expressionismus tauchen am Horizont auf. Und was ist mit jenen komplexen und hochdekorativen Bildern fraktaler Strukturen, die am Computer »selbsttätig« entstehen? Die bildnerische Kraft des Zufalls und andere schwer zu durchschauende Prozesse ist Thema unseres dritten Wunderblock-Abends. Zu Gast sind der Kunstwissenschaftler Friedrich Weltzien, Autor von »Fleck. Das Bild der Selbsttätigkeit«, einer Studie zu »Justinus Kerner und die Klecksographie als experimentelle Bilderpraxis zwischen Ästhetik und Naturwissenschaft«, und die Illustratorin Angela Mercedes Donna Otto, die sich in ihrer Abschlussarbeit (2010) mit der Klecksographie als »Inversion des Illustrationsprozesses« beschäftigt hat.
Friedrich Weltzien
Jitter’s Wunderblock No.3
Justinus Kerner Klebealbum, Deutsches Literaturarchiv Marbach
»Aus Dintenfleken ganz gering / Entstand der schöne Schmetterling. / Zu solcher Wandlung ich empfehle / Gott meine flekenvolle Seele.« Justinus Kerner |
Friedrich Weltzien und Andreas Rauth (r.) im Gespräch mit dem Publikum. Friedrich Weltzien, Andreas Rauth und Angela Otto (v. vorne n. hinten). Friedrich Weltzien: Die Abschlussarbeit von Angela M. D. Otto wurde vom Art Director's Club Deutschland mit einem Goldenen Nagel ausgezeichnet. |
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