Dort gewesen:
Ars Electronica 2012
Innen wie auSSen –
The Big Picture
Von Bettina Wegenast
»The Big Picture«, die ganz großen Zusammenhänge, waren das Thema der ars electronica 2012. Ob sie das nun tatsächlich waren, lässt sich aus einer einzelnen menschlichen Froschperspektive schwer beurteilen. Aber die Besucher erhielten immerhin Einsicht in vielerlei Räume.
Der dazwischen
Between You And Me, eine Membran, bestehend aus Licht und dem Klang von zerbrechendem Glas, illustrierte sehr schön, dass Räume keine festgebauten Wände brauchen, um als solche wahrgenommen zu werden. Obwohl Between you and Me, eine Installation von Anke Eckhardt, aus »Nichts«, aus keinem greifbaren Material bestand, zögerte man unweigerlich beim Durchdringen dieser Licht- und Klangwand. Der Zwischenraum, ein Produkt unserer Vorstellung?
Der Doppelbödige
Welchen Raum wohl die Vorstellung der »Mond-Gänse« von Agnes Meyer-Brandis produziert? Den Vögeln wurde von der Künstlerin direkt nach dem Schlüpfen eingeredet, dass sie sich auf dem Mond befinden würden. Um diese Behauptung zu untermauern, wurden sie in einen »analogen« Raum versetzt, in eine simulierte Mondlandschaft, in der sich Astronauten auf das Leben im All vorbereiten. Meyer-Brandis bezieht sich mit diesem Projekt auf einen 1603 erschienen, phantastischen Text, der von einem Mondflug mithilfe von »Moon-Goose« berichtet. Doch die Simulation bildet heutiges Wissen ab und nicht die Vorstellungen aus dem 17. Jahrhundert. Frage: wo befinden sich die Gänse vorstellungsmässig und wo die Künstlerin?
Der Durchgängige
Zu wissen in welchem Raum, in welchem Spiel sie sich grade befinden, ist für die Figur, bzw. für die Spieler in der Installation Game Border von Jun Fujiki lebenswichtig. Sind sie sich darüber nicht im Klaren, so treten sie ins Leere. Game over!
Game Border besteht aus einer Reihe von aneinandergehängten Konsolen, die jeweils einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Game-Hardware bedeuten und damit auch ein kleiner Überblick über dreißig Jahre Game- Geschichte sind. Sie können, mit einer einzelnen Spielfigur durchgängig bespielt werden können. Die Figur startet in einem der ersten Handhelds, einem »Game and Watch« von Nintendo aus den Achtzigern, hüpft durch den C 64 und über den Gameboy zur Kinect von Sony und hinaus auf die Ausstellungswand und in den realen Raum, wo sie verschwindet. Ein wunderschönes Game, das in einem einzigen Spielablauf dreissig Jahre Gamer-Erfahrungen reproduziert und das an Levelhead von Julian Oliver erinnert. Grenzüberschreitend!
Der Grenzwertige
Grenzüberschreitend in mancherlei Hinsicht war auch die Abschlussveranstaltung der ars electronica, die voestalpine Klangwolke, zu der Tausende an die Ufer der Donau pilgerten, um die vorher im ars electronica center gebastelten Leuchtbuchstaben zu schwenken, und um sich die gigantomanische, vom Stahlkonzern Voestalpine gesponserte Show anzusehen. Der »weltgrösste (zivile!) Drohnenschwarm« flog blinkend über die Donau, Industrieroboter rockten choreographisch ab und riesige Lautsprechern bewummerten die Umgebung. Ganze Hochhäuser verschwanden hinter Lichtprojektionen und eine Stimme verwies immer wieder beschwörend auf das Internet, in dem der ganze Bombast mit dem »weltgrössten Gruppenfoto« weitergehen werde. »Und jetzt alle gleichzeitig abdrücken... gleichzeitig! Drei... zwei... jetzt! Jaa! Wunderbar, meine Damen und Herren!« Grenzwertig. Manche Räume sind auch Schäume. Und vielleicht sollte man auch das immer in einem größeren Zusammenhang sehen.
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Anke Eckardt: Between You And Me, www.ankeeckardt.org
Agnes Meyer-Brandis: Moon Goose Analogue, www.ffur.de
Jun Fujik: Game Border, Video-Link (You Tube)
Voestalpine Klangwolke
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