EDITORIAL #02 MUSIK
Die Beziehung von Bild und Musik hat eine bis in die Antike zurück reichende Tradition. Pythagoras beschäftigte sich mit Sphärenmusik, die für ihn die kosmische Ordnung widerspiegelte. Die Töne wiederum ordnete er bestimmten Farben des damals bekannten Spektrums zu. Aristoteles entwickelte eine Farbskala mit sieben Farben, ordnete diesen Tonintervalle zu und schuf damit die Grundlage für die antike Farbe-Ton-Beziehung. Leonardo da Vinci projizierte bereits um 1500 farbige Lichter und als Erbauer des ersten Farbklaviers gilt der Maler und Alchemist Giuseppe Arcimboldo. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Kunst sich vom Gegenstand befreite, experimentierten Künstler wie Wassily Kandinsky mit der Übertragung musikalischer Prinzipien auf die Malerei und der experimentelle Animationsfilm nahm mit den Werken von Oskar Fischinger (DVD-Rezension S. 66), dessen bekannteste Arbeit wohl das Segment Toccata und Fuge in D-Moll aus Disneys Fantasia ist, viele Entwicklungen der Videoclipästhetik vorweg.
Die Popkultur hatte von Anfang an eine enge Beziehung zum Visuellen. Angetrieben von Drogenerfahrungen entstand in der Hippie-Ära die dissonante und etwas überreizte psychedelische Kunst, deren Farb- und Formexzesse sich auf zahlreichen Plattencovern wiederfinden. Die Postpunk-Ära zu Beginn der achtziger Jahre brachte schließlich in Rückbesinnung auf Techniken der Dada-Kunst mit Neville Brody einen ersten modernen Design-Star hervor. In der jüngeren Zeit hatte vor allem die elektronische Musik großen Einfluss auf die Bildgestaltung, die den digitalen Klängen mit den Möglichkeiten der Pixel- und Vektorgrafik eine äquivalente visuelle Ausdrucksform zur Seite stellte. Lange Zeit unbeachtet, erlebt die dem Rock‘n‘Roll und einer eher traditionellen Malweise verpflichtete ‚Low-Brow‘-Art derzeit auch hier zu Lande einen bemerkenswerten Aufschwung.
Die Verbindung von Bild, Musik und darüber hinaus auch mit den darstellenden Künsten, zeigt sich zudem in Projekten wie dem 2006 in Halle veranstalteten Festival »Comic meets Theater«, auf dem „zeitgenössische Koalitionen zwischen Comic, Animationsfilm, Streetart, Performance, Musik und Theater“ zu sehen waren oder der Character-Performance auf dem letzten Pictoplasma-Festival.
Ob als Visual Music (Lillevän S. 60), animiertes Musikvideo, Platten-/CD-Cover (Vanessa Karré S. 40, Atsushi Fukui S. 56), Konzertplakat (Interview Henning Wagenbreth S. 50), Musikerbiographie im Comicformat (Comic-Rezension S. 64) oder Musikvisualisierung per Live-VJing: die Ausdrucksmöglichkeiten, die in der Begegnung beider Kunstgattungen liegen sind längst noch nicht ausgeschöpft. Den Hintergrund liefert häufig genug die Künstlerbiografie selbst. Musiker, die sich als Bildgestalter betätigen und Zeichner, die Musik machen sind eher die Regel als die Ausnahme (Interview Peter Blegvad S. 14, Reinhart Hammerschmitt S. 10). In JITTER 02/07 stellen wir einige von Ihnen mit Arbeiten und Projekten vor.
Andreas Rauth