EDITORIAL #00
Treu die Natur und ganz – Wie fängt er‘s an?
Wann wäre je Natur im Bilde abgetan?
Unendlich ist das kleinste Stück der Welt! –
Er malt zuletzt davon, was ihm gefällt.
Und was gefällt ihm? Was er malen kann!
- Friedrich Nietzsche -
Nietzsches Kommentar auf das künstlerische Schaffen zielt zum einen auf die Beschränktheit der Mittel ab und zum anderen auf die selektive Wahrnehmung. Der Künstler zeigt das, was er sehen möchte oder auch nur in der Lage ist zu sehen. Dass dies nicht ausschließlich von individuellem Können und Ausbildung abhängt, sondern durchaus auch von den Möglichkeiten der Zeit, läßt sich leicht nachvollziehen: Hätte die mittelalterliche Kultur über Kenntnisse der Zentralperspektive verfügt, die Maler hätten sie ganz sicher angewandt. Umgekehrt gilt dies auch für den Betrachter. Man sieht nur, was man zu sehen gelernt hat.
Das Nachdenken über Bilder zählt zu den schönsten Sportarten überhaupt. Wahrnehmung und Reflexion gehören zusammen. Ist das Auge einmal fett und träge geworden vor lauter Eye-Candy, muss es im intellektuellen Galopp wieder schlank geritten werden. In Zeiten des Iconic Turn eine unerläßliche Disziplin. Ob Kinderbuch, Schulbuch, Belletristik, Editorial, Wissenschaft, Werbung, Mode, Comic oder Animation: Ganz selten dient das Bild lediglich dem künstlerischen Ausdruck. In der medialen Kommunikation ist das Bild immer ein absichtsvolles, ein instrumentalisiertes. Bilder informieren, erzählen und verführen. Sie beleuchten und verdunkeln. Kein Zeigen ohne Weglassen, siehe Nietzsche.
Zum medial vermittelten Bild gehört also auch immer das, was man vereinfacht als dessen Geschichte bezeichnen könnte. Um das Bild und seine Geschichte soll es also gehen in JITTER, unserem Magazin, das seinen Namen einem Störeffekt der Bildtechnik verdankt. Dabei gilt unsere Aufmerksamkeit einer besonderen Art von Bild: der Illustration oder andersherum gesagt: allem, was nicht Fotografie ist. Denn angesichts einer geradezu unüberschaubaren Stilvielfalt und immer neuen Anwendungsbereichen fällt die Wortwahl schwer. Illustration – man möchte es gern verwenden, allein weil es so klangvoll ist – greift zu kurz. Aber es ist nicht leicht, für die Bilder mit denen wir uns hier beschäftigen wollen, das richtige Wort zu finden. Wir bleiben also einfach bei Bild und hängen, weil es so gut zum Sehen (was?) und auch zum Denken (weshalb?) passt, die Gestaltung hintendran: JITTER – Magazin fürBildgestaltung.
Andreas Rauth