GEMÜSE IM REGENBOGEN
La cucina verde.
Die schönsten italienischen Gemüserezepte
Ein Interview mit
Larissa Bertonasco
Jitter: Wer Kochbücher veröffentlicht, kocht zumeist selbst leidenschaftlich gern. Stehen heute italienische Spezialitäten auf dem Küchenplan?
Larissa Bertonasco: Meine Mutter ist zu Besuch und wir gehen gleich zum Italiener um die Ecke. Die Kinder essen in der KiTa.
In Deinem ersten Kochbuch, La nonna, La cucina, La vita schreibst Du: »Ganz Ligurien duftet nach meiner Kindheit«. Würden das Deine eigenen Kinder auch sagen?
Wie die Kindheit riecht, weiß man wohl erst, wenn sie vorbei ist. Wir fahren zwar regelmäßig nach Italien, aber es ist schwer zu sagen, ob die Gerüche dort – und für mich sind es immer noch dieselben wie vor 25 Jahren – die Wahrnehmung meiner Kinder nachhaltig prägen werden, es ist ja nicht ihre Alltagserfahrung. Aber vielleicht ist das gerade ein Vorteil, denn auch meine Erinnerungen sind geprägt vom Besonderen, nicht vom Alltag. Und es sind nicht ausschließlich die guten Gerüche der Küche. Letztens roch es im Hausflur unheimlich stark nach Chlor, nach scharfem Putzmittel, und ich musste sofort an Italien denken. In südlichen Ländern gibt es so ein typisches Putzverhalten, dessen Kennzeichen Chlor und Mottenkugeln sind.
Du bist nicht in Italien aufgewachsen.
Nein,
meine Mutter kommt aus Sachsen, mein Vater ist Italiener. Ich selbst bin im Schwabenland, in Heilbronn, aufgewachsen, wohne aber schon lange in Hamburg. Da ich auch nicht zweisprachig aufgewachsen bin, habe ich, um Italienisch zu lernen, während des Studiums ein Jahr in Siena gelebt.
Anders als bei La nonna, La cucina, La vita stammen die Texte und Rezepte in La cucina verde nicht von Dir. Das Buch entstand zusammen mit dem Züricher Autor und Koch Carlo Bernasconi.
Carlo ist Chefredakteur
des Schweizer Buchhandel, dem Fachmagazin für die Schweizer Verlagsbranche, und betreibt seit ein paar Jahren in Zürich das Restaurant Cucina e Libri. Ihm gefiel La nonna, La cucina, La vita, weshalb er mich einlud, zur Eröffnung des Restaurants eine Ausstellung mit Originalillustrationen aus dem Buch zu machen. Später habe ich dort auch kulinarische Lesungen gehalten. Das Buch ist ja eine Art Lese-Kochbuch und enthält neben den Rezepten eine Reihe Kurzgeschichten über meine Großmutter und das Kochen. Seither sind wir befreundet.
Auch Bernasconi spricht in La cucina verde viel von den Kochkünsten seiner »Nonna«. Ist die Großmutter die letzte Bastion einer unverfälschten Küche?
Ja, die Großmutter bewahrt das Traditionelle. Und wenn man als Kind seine Großmutter besucht, dann ist das Essen dort anders als Zuhause und immer irgendwie besonders. Aber um ein eigenes Verhältnis zum Essen zu entwickeln, kommt es noch mehr darauf an, welche Rolle Lebensmittel und Essen im familiären Leben spielen. Es ist ja auch nicht so, dass automatisch alle Italiener großartige Köche sind und wahnsinnig Tischkultur pflegen würden. Während meiner Zeit in Siena habe ich in einer WG mit neun anderen Italienerinnen gewohnt, die am liebsten von Plastiktellern aßen. Wenn ich auf einen Porzellanteller bestand, hieß es bloß, das mache nur zusätzlich Arbeit.
War es problematisch, diesmal nicht alles selbst entscheiden zu können?
Eigentlich dachte ich: nicht schon wieder ein Kochbuch, aber aufgrund der Freundschaft habe ich gerne zugesagt. Die Zusammenarbeit mit Carlo lief problemlos und auch beim Verlag war man mit meinen Vorschlägen einverstanden, ich hatte also alle Freiheiten. Wie im ersten Buch habe ich auch diesmal ziemlich freie Motive gewählt, in denen außer dem Gemüse vor allem ländliches Leben und Marktszenen zu sehen sind.
Fotografierte Kochbücher setzen in den Abbildungen ganz auf die virtuos inszenierten Speisen. In diesem Buch ist kein einziges der Rezepte im Bild zu sehen.
Bilder haben hier eine andere Funktion. Die Rezepte stehen im Vordergrund und die Bilder schaffen eine Atmosphäre, sie locken den Betrachter in eine besondere, eine italienische Stimmung.
Die Farbigkeit fällt sofort ins Auge, hast du dabei ein bestimmtes Konzept verfolgt?
Erst gab es die Idee
alles in Grün, Weiß, Rot anzulegen, was aber schnell wieder fallengelassen wurde. Dann, als die Liste der Gemüsesorten feststand, habe ich versucht damit einen Regenbogen anzulegen. Und so ist es schließlich auch geworden, die Farben laufen von Blau über Grün, Gelb und Rot nach Violett.
Bei mir hinterlassen die Farben den Eindruck einer Frische vergangener Tage. Meiner Meinung nach unterstützen sie den traditionellen Aspekt.
Wenn das so ist, finde ich es gut, wurde aber von mir nicht bewusst angestrebt, ich gehe da eher intuitiv vor. Aber ja, ein gewisser Hang zur Retro-Ästhetik lässt sich nicht leugnen; ich mag alte Verpackungen, die ich teilweise in die Bilder integriere und ich mag gebrochene Farben.
Hast Du bereits Pläne für neue Projekte?
Als nächstes möchte ich wieder etwas Eigenes machen. Man landet schnell in einer Schublade. Plötzlich bist du Expertin für ein Thema und nur das wird dann noch nachgefragt. Dem möchte ich entgegenwirken und beim nächsten Projekt auch wieder selbst den Text liefern.
Ist Schreiben für Dich so selbstverständlich wie Zeichnen?
Ich habe mich nie als Autorin gesehen, obwohl ich immer schon geschrieben habe und mir gerade dieses Annekdotenhaft-Autobiographische liegt.
Erst kurz vor Weihnachten hatte ich bei einer Lesung Gelegenheit neue Texte vorzutragen, sozusagen als Test. Die Resonanz war gut.
Die Fragen stellte Andreas Rauth
Carlo Bernasconi, Larissa Bertonasco
La Cucina Verde
Jacoby & Stuart, Berlin 2010
Über hundert Rezepte von 18 verschiedenen Gemüsesorten
188 Seiten
durchgehend vierfarbig
Format 17,9 x 24,1 cm, Paperback
www.bertonasco.de
www.cucinalibri.ch
www.jacobystuart.de
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