Vom Wert der Kunst als Wert der Arbeit

In schwindelerregendem Tempo haben sich in den letzten zwanzig Jahren tektonische Verschiebungen in politischen, ökonomischen und technischen Systemen ereignet, die immer stärker in die individuelle Gestaltung prekär gewordener Arbeits- und Lebensbereiche der Menschen einwirken.

Kunst ist wertvoll. Doch ist Kunst kein Luxusgut, wie immer öfter behauptet wird, sondern elementares schöpferisches Ausdrucksmittel und Grundbedürfnis des Menschen. Wie in fast allen Lebensbereichen haben finanzökonomische Maßstäbe eine Definitionsmacht über die Kunst geschaffen, die die Befragung ihres ästhetischen, kulturellen, gesellschaftlichen und gestaltenden »Mehrwerts« zunehmend überlagern. Bedroht ist vor allem die öffentlich finanzierte Kulturförderung und nach jahrzehntelanger Unterfinanzierung historisch gewachsener Kulturinstitutionen steht immer häufiger ihr Ausverkauf zur Androhung. Auf der anderen Seite spiegelt ein globalisierter Kunstmarkt einmal mehr privatisierte Finanzakkumulationen wider. Die Diskussion um den »Wert von Kunst«, ihre Förderung, Bewahrung und Sammlung hat in den letzten Jahren daher wieder deutlich an Fahrt aufgenommen.

Was und wer bestimmt den Wert der Kunst? Ist die autonome Kunst tatsächlich eine Ressource, die ihren Wert frei bestimmen kann, ohne Rückbindung an die ihr zu Grunde liegende Arbeit und ihre Produktionsbedingungen? Und auch hier steht künstlerische Arbeit verändert zur Diskussion. Denn was »Arbeit« ist, beschäftigt nicht nur die, die keine haben, sie zu verlieren befürchten oder permanenten Raubbau betreiben. Neue, enthierarchisierte und selbstbestimmte Arbeitsmodelle stehen einer klassischen Erwerbsarbeit entgegen, allerdings oft um den Preis der Entgrenzung von Arbeit und Leben, der Einforderung von Flexibilität, Mobilität, Verfügbarkeit und permanenter Selbstoptimierung. Temporäre Vertragsverhältnisse, Niedriglöhne, das Hinsiechen arbeitsrechtlicher Interessenvertretungen prägen auch das rahmende Portfolio zahlreicher »Erwerbstätige«. Dabei wird die moderne »Existenzform des Künstlers« als freier kreativer, risikofreudiger und unabhängiger Unternehmer, der Werke ohne Auftrag und Waren ohne Käufer produziert, als spartenübergreifendes Rollenmodell aktueller Arbeitsökonomien und Managementtheorien herangezogen. Eigeninitiative und Selbstorganisation sind gefragt. Doch was früher als optionaler Lebensentwurf galt, ist heute für viele existenzielle Notwendigkeit geworden.

In dem Versuch, die sozialen und wertschöpfenden Aspekte von Produktion und Rezeption künstlerischer Arbeit in den Blick zu nehmen und die ihnen zugetragenen Rollenmodelle zu hinterfragen, haben zahlreiche Künstler und Künstlerkollektive seit den 90er Jahren unterschiedlichste Ansätze entwickelt. Dabei bilden nicht zuletzt Veröffentlichungs- und Distributionsstrategien einen konstitutiven Bestandteil ihres Werkes.

Die Ausstellung befragt exemplarisch, wie künstlerische Arbeit oder ihre Wertschätzung aktuell ins Bild gerückt wird. Wie durchdringen sich Vorstellungen, Begrifflichkeiten und Ideologien von Kreativität, Selbsteffizienz, Performance und Mehrwert in Wirtschaft und Kunst? Wie wird der »Wert von Kunst« und der »Wert von Arbeit« von Künstlern definiert, analysiert oder in Frage gestellt? Welche Rollenbilder, Ermächtigungs- bzw. Verweigerungsstrategien diskutieren Künstler? Welche alternativen Ökonomien, Wertschöpfungsketten und Distributionsformen sind zu beobachten oder vonnöten?

Mit ACAD&C, Johannes Bendzulla, Céline Berger, Christian von Borries, Robert Brambora, Sven Johne, Florian Kuhlmann, Christin Lahr, Mutter / Genth, M+M, Alexander Roob, Robert Schlicht, Romana Schmalisch, Andreas Siekmann, Katja Stuke, Mathilde ter Heijne, Georg Winter
Kuratiert von Sabine Maria Schmidt

Zur Ausstellung findet ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Workshops und Filmscreenings statt. Zudem wird eine Projekthomepage mit zahlreichem Begleit- und Archivmaterial erarbeitet.

Zum Ausstellungsort:
Die Ausstellung findet auf dem Gelände der ehemaligen 1910 erbauten Backfabrik der Konsumgenossenschaft Allgemeiner Consumverein freies Rheinland statt. Die Gründung der Consumvereine ging von Verbrauchern und Sozialreformern aus, um die Lebenshaltungskosten
in den durch die Industrialisierung explosionsartig wachsenden Städten durch kostengünstige und qualitätsvolle Warenversorgung zu verbessern. In den 70ern wurde die Backfabrik stillgelegt und sollte zunächst abgerissen werden, was aufgrund des privat-initiativen Engagements von Hans Peter Zimmer verhindert werden konnte. Ende der 80er Jahre wurde der mittlerweile CONSUM genannte Ort zu einem beliebten Ausweich-Quartier für die Düsseldorfer Künstlerszene. Die industriellen Räume wurden fortan unter anderem als Ateliers und Probenräume genutzt. Zum Jahreswechsel 2012 wurde von der Hans Peter Zimmer Stiftung auf dem Gelände ein neues, interdisziplinäres Kunstzentrum unter dem Namen  WELTKUNSTZIMMER ins Leben gerufen.

  • WELTKUNSTZIMMER
    Ronsdorfer Str. 77, 40233 Düsseldor
  • Öffnungszeiten: Do–So 14 –18 Uhr, Eintritt frei
  • www.weltkunstzimmer.de