Érik Desmazières (geb.1948) Kunst bricht mit der Realität trotz ihrer unglaublichen Wirklichkeitsnähe – dieser Bruch erfolgt entweder über die Raumdarstellung oder über das vermittelte Zeitgefühl. Sein Oeuvre offenbart realitätsnahe, oftmals menschenleere Bildwelten von eindrucksvoller Präzision und ungewöhnlicher Zeitlosigkeit. Der eindringliche Blick des Künstlers fällt in üppig gefüllte Innenräume der Vergangenheit, wie Ateliers und Bibliotheken, und schweift grosszügig über menschenleere Stadtansichten der Gegenwart.
Der in Paris lebende, französische Künstler gehört zu den besten Radierern seiner Generation. Virtuos reizt er die technischen Möglichkeiten der Radierung und Aquatinta bis zum Äußersten aus. Dabei nuanciert er mit bemerkenswerter Kunstfertigkeit die Grautöne und zaubert atmosphärische Licht- und Schatteneffekte. Er bleibt einem Motiv lange treu und variiert es, so dass zahlreiche verschiedenartige Zustände entstehen.
Manche Blätter schaffen dank der sich scheinbar über die Bildgrenzen fortsetzenden Raumlinien eine eigene Dynamik und üben so einen schwindelerregenden Effekt auf den Betrachter aus. Andere hingegen sind so detailgetreu und beschaulich, dass sie wie das exakte Abbild der Realität erscheinen. Desmazières üppige Bildsprache ist inspiriert von einer älteren, vergangenen Bildtradition und erscheint so anachronistisch. Der Verlust des Zeitgefühls manifestiert sich insbesondere in seinen realitätsnahen Stadtansichten – zeigen diese doch weder technologischen Fortschritt noch Modernität. Die menschenleeren Innenräume sind häufig Erinnerungen an Orte, die in der Realität nicht mehr existieren. Zugleich sind sie intime Charakterisierungen der im Bild abwesenden Personen. So wirklichkeitsnah Desmazières Räume auch erscheinen, sie sind Fenster in andersgeartete Welten, die einem eigentümlichen Raum-Zeit-Gefüge untergeordnet sind. Sie zeigen seine eigene Interpretation der Wirklichkeit.
Marc-Antoine Fehr (geb. 1953) und Érik Desmazières verbindet eine langjährige Freundschaft. In ihrem Werk lassen sich gelegentlich Reminiszenzen dieser Verbindung ausmachen. In den Korridorvitrinen werden daher Arbeiten des schweizerischen und im Burgund lebenden Künstlers gezeigt.
Anlässlich der Ausstellung erscheint folgende Publikation:Réflexions sur l’espace et le temps. Druckgraphik von Érik Desmazières,
mit einem Text von Patrizia Solombrino,
Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2015;
ca. 70 Seiten, ca. 50 Abbildungen, ca. CHF 25.-, ISBN 978-3-7319-0221-8;
Vorzugsausgabe mit einer Originalgraphik, Auflage: 50 Expl., CHF 350.- Graphische Sammlung der ETH Zürich Zur Ausstellung wird ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten (Details weiter unten).
Begleitprogramm zur Ausstellung Réflexions sur l’espace et le temps. Druckgraphik von Érik Desmazières an der Graphischen Sammlung der ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich
Kunst am Montagmittag
Die Graphische Sammlung lädt montags von 12.30 bis 13.00 Uhr zur Kunstbetrachtung ein.
Auskunft: 044 632 40 46
27.04.2015
Réflexions sur l’espace et le temps Einführung zur Ausstellung (Patrizia Solombrino)
04.05.2015
Fantastisches Frühwerk
Desmazières Fantasiewelten (Isabelle Scheck)
11.05.2015
Wissensräume I
Die sonderbaren Kunst- und Wunderkammern (Patrizia Solombrino)
18.05.2015
Stadtansichten
Realität – Imagination – Erinnerung (Isabelle Scheck)
01.06.2015
Wissensräume II
Bibliotheken (Patrizia Solombrino)
08.06.2015
Marc Antoine Fehr.
Zeichnungen und Druckgraphik (Paul Tanner)
Die Graphische Sammlung nimmt am Internationalen Museumstag teil:
Sonntag 17. Mai 2015, 11 und 15 Uhr
Kunst- und Wunderkammern
11:00 Uhr
Die Geburt der öffentlichen Sammlung in Zürich
Dr. Claudia Rütsche (Kulturama) im Gespräch mit Paul Tanner
15:00 Uhr
Die Kunstkammer als Bildmotiv
Érik Desmazières im Gespräch mit Paul Tanner