Das Horst-Janssen-Museum Oldenburg präsentiert vom 26. Juli bis 5. Oktober die Einzelausstellung Apparatuses of Subversion von Ahmet Öğüt. Der türkische Künstler setzt sich auf humorvolle und intelligente Art mit den gesellschaftspolitischen Bedingungen seiner Zeit auseinander und arbeitet dabei Elemente des Alltagslebens heraus, die oftmals übersehen werden, aber fundamentale gesellschaftliche Regeln ausdrücken. Seine künstlerische Bildsprache umfasst Performance und Video ebenso wie Animation und Installation. »Im Horst-Janssen-Museum zeigen wir eine Auswahl von Öğüts bestehenden Arbeiten sowie eine neuproduzierte Installation. Übergreifendes Thema ist das Verhältnis von Individuum und Staat«, sagt Museumsleiterin Dr. Jutta Moster-Hoos. Kuratiert wird die Ausstellung von Anna Jehle (Bielefeld/Leipzig) und Anja Lückenkemper (Berlin).
Mit Apparatuses of Subversion (Apparaturen des Umsturzes) untersucht Öğüt Momente, in denen staatliche oder wirtschaftliche Akteure in die Sphäre des Einzelnen eintreten, um den öffentlichen Raum zu regulieren und damit den gesellschaftlichen Status quo festzuschreiben. »Öğüt thematisiert dabei nicht nur den Umgang mit Protestbewegungen in demokratischen Gesellschaften oder die Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten staatlichen Mittel, sondern identifiziert die unterschiedlichen Regeln und Maßnahmen staatlicher Kontrolle, Überwachung und Abschottung«, erläutern die Kuratorinnen Anna Jehle und Anja Lückenkemper. Besonderes Augenmerk legt der Künstler dabei auf den öffentlichen Raum: diesen begreift er als (Ver-)Handlungsraum, der immer wieder aufs Neue initiiert werden muss.
Öğüt präsentiert den öffentlichen Raum dabei zwischen zwei Extremen: der politischen Bühne und einem restriktiven, durch Zensur und Überwachung kontrollierten Raum. »Als politische Bühne besitzt der öffentliche Raum für den Künstler eine performative Qualität, denn hier kann sich eine pluralistische Gesellschaft zeigen, können gesellschaftlicher Dissens und auch marginalisierte Meinungen sichtbar werden«, erklären die Kuratorinnen und fügen hinzu: »In seiner Ausformulierung als restriktiver Raum steht er für eine immer größer werdende Überwachung der Bürgerinnen und Bürger durch den Staat. Insbesondere seit dem 11. September 2001 hat sich das Ausspionieren von Privatpersonen sowohl in der Öffentlichkeit, als auch in deren Privatsphäre – was ehemals nur im Ausnahmefall stattfinden sollte – weltweit zur gängigen Regierungspraxis entwickelt. Das Phänomen des ‚Gläsernen Bürgers‘ ist daher keine Gegenutopie mehr, sondern längst Realität.«
Vor diesem Hintergrund stellt Ahmet Öğüts künstlerische Arbeit eine genaue Analyse aktueller Machtstrukturen und Regierungsstrategien in unterschiedlichen kulturellen und nationalen Kontexten dar. Auf der Grundlage der so erworbenen (Er-)Kenntnisse kehrt er die beobachteten Mechanismen mit feinsinniger Ironie und Humor ins Gegenteil oder hebt sie gänzlich auf. So laden die Instrumente der Abschottung in Öğüts Arbeiten zum Durchgang ein und Zensurorgane werden von ihm zu Verteilern von Information umfunktioniert. In Zeiten von NSA-Skandal und CCTV (Closed Circuit Television = Überwachungskamerasysteme), und einer Kultur, die eine immer stärkere werdende Verbreitung und Preisgabe des eigenen Bildes im Internet praktiziert – etwa auf Instagram oder Facebook – konfrontiert Öğüt die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher unmittelbar mit dem Thema der Überwachung und den Mechanismen der Kontrolle. Dieses Spannungsfeld erweitert Öğüt im Horst-Janssen-Museum um die Neuproduktion „Pleasure Places of All Kinds“ (2014,) in der sich öffentlicher und privater Raum auf absurde Weise begegnen. Hier zeigt der Künstler, wie sich individuelle Widerstand gegenüber freiheitseinschränkenden Maßnahmen im Alltag ausdrücken kann.
Der Titel der Ausstellung Apparatuses of Subversion nimmt Bezug auf Louis Althussers 1970 erschienene Arbeit Ideology and Ideological State Apparatuses. Darin unterscheidet der französische Philosoph zwischen zwei Staatsapparaten: dem repressiven und dem ideologischen. Öğüt führt hier einen weiteren, dritten Apparat ein: den Apparatus of Subversion. Dieser subversive Apparat stellt weder die Ideologie, noch die Exekutive eines Staatsapparats, stattdessen tritt hier das Individuum aktiv in Erscheinung und zeigt sich in seinem persönlichen Widerstand gegenüber beiden Apparaten.
Über den Künstler
Ahmet Öğüt (*1981 in Diyarbakir, Türkei) ist Künstler, Vermittler und geht zahlreichen Lehrtätigkeiten in universitären und nicht-institutionellen Kontexten nach. Als Künstler arbeitet er mit den Medien Zeichnung, Skulptur, Installation, Video, Performance und Künstlerbuch, die er auf spielerische Weise für seinen eigenen künstlerischen Widerstand einsetzt. Neben seinen künstlerischen Arbeiten initiiert er soziokulturelle Projekte außerhalb des Kunstfeldes. Neben mehr als 20 weltweiten Einzelausstellungen innerhalb der letzten Jahre, darunter Strategies for a Radical Democracy (2014) in der Blackwood Gallery in Toronto, wurden seine Arbeiten auch im Rahmen internationaler Gruppenausstellungen und Biennalen gezeigt, zuletzt unter anderem auf der 19. Biennale in Sydney/Australien (2014), im Witte de With Center for Contemporary Art in Rotterdam, bei der Performa 13 (New York, 2013) und der 12. Istanbul Biennale (2011). Öğüt hat eine Vielzahl an renommierten Preisen erhalten, darunter den Zukunftspreis der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig (2010) und den Visible Award (2013). Er lebt und arbeitet in Amsterdam, Berlin und Istanbul.