In seiner 15. Jubiläumsausgabe präsentiert das Pictoplasma Festival vom 08. bis 12. Mai 2019 unter dem Titel INTER—FACES in ganz Berlin die Figuren von morgen – und eine überraschende Auswahl zeitgenössischer Character Designs, die international für Aufsehen sorgt und neue visuelle Trends setzt. Zwischen Illustration, Animationsfilm, Digital Design, Games, Urban Art und Kunst steht während des Festivals die Gestaltung von Charakteren im Mittelpunkt.
Unter den Teilnehmer*innen sind Félicie Haymoz, die für Wes Anderson die Figuren seiner Stopptrick-Filme entworfen hat; Sundance-Preisträger Jeron Braxton, der die afroamerikanische Erfahrung mit digitalen Mitteln neu sondiert; Illustratorin Laura Callaghan, die mit detailverliebten Darstellungen starker Frauen klassische Rollenbilder hinterfragt; Bestseller-Autor Luke Pearson, dessen Charakter Hilda erst als Graphic Novel und jetzt auch als Netflix-Serie stilprägend geworden ist; Animationsfilmemacherin Elenor Kopka, deren Geister und rätselhafte Wesen eine dichte, okkulte Atmosphäre erzeugen; Filmemacher Nikita Diakur, der die Grenzen zwischen Animation und Realfilm verschiebt; Illustratorin Yukai Du, die mit ihren Arbeiten Impressionismus und Brutalismus in ein Spannungsverhältnis setzt sowie Eran Hilleli, Julian Glander und Laurie Rowan, die spielerisch die Grenzen von DigitalDesign, Kunst, Games und Animation überwinden.
Thematisch nimmt das diesjährige Festival den momentanen Hype um Interaktion mit digitalen Medien ins Visier und hinterfragt kritisch, ob eine solche Interaktion überhaupt für beide Seiten – Mensch und Maschine – gelten kann, oder nicht vielmehr auf einer einseitigen Projektion in Richtung der Technologien basiert. In den Blick kommen künstlerische Strategien, die Character Design als Mittel einsetzen, um unsere gängigen Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster gegenüber Medien zu hinterfragen. Damit möchte das Festival den Diskurs von seinem gegenwärtig technologischen Fokus und den hohen Erwartungen an eine nahtlose Immersion erweitern – und zwar um den Blick auf den emphatisch aufgeladenen Raum zwischen Betrachter*in und Betrachtetem.
Während des Pictoplasma-Festivals wird das Thema in verschiedenen Programmbereichen reflektiert: Eine Gruppenausstellung im Silent Green (08.–12. Mai) zeigt multimediale Installationen, darunter neue, für das Festival in Auftrag gegebene Arbeiten. Die Besucher*innen erwartet ein Parcours entlang einer Vielzahlvon virtuellen und abstrakt bleibenden Gesichtern und Kreaturen. Was löst in uns Empathie gegenüber solchen Wesen aus? Warum erwarten wir, dass unsere Gefühle erwidert werden? Und wie gehen wir damit um, wenn unsere Erwartungen nichterfüllt werden? Parallel zu der Ausstellung führt, ebenfalls vom 08. bis 12. Mai, ein Rundgang durch Offspaces in Berlin-Mitte, die im Rahmen von Werkschauen Einblick in die Arbeit von zehn Künstler*innen geben.
Eine Gruppenausstellung präsentiert hier zusätzlich die 35 Alumni der Pictoplasma Academy 2018. Das Filmprogramm findet vom 09.–12. Mai im Babylon am Rosa-Luxemburg-Platzstatt und umfasst vier Hauptprogramme mit 80 animierten Kurzfilmen, Musikvideos und experimentelle Formate von Studios und Filmemacher*innen aus aller Welt. Am selben Ort kommen internationale Kreative und Producer auf einer zentralen Fachkonferenz zusammen, um Strategien für die Gestaltung der nächsten Generation von Charakteren zu entwickeln. Zum Abschluss lädt ein Publikumstag am Sonntag, 12. Mai erneut ins Silent Green ein, wo in der Kuppelhalle Performances, Panels und Vorträge das Thema des Festivals vertiefen, Kuratoren und beteiligte Künstler*innen durch die Ausstellung führen und im Atelierhaus Workshops für Kinder stattfinden.
INTER—FACES – Ausstellung im Silent Green
Die zentrale Ausstellung INTER—FACES im Silent Green präsentiert künstlerische Arbeiten, die unser emotionales Verhältnis zu virtuellen Figuren verhandeln. Während die Charaktere die Betrachter*innen auf den ersten Blick adressieren, bleibt ihr Verhalten doch fremd und scheinbar selbstbezogen oder desinteressiert. Dabei drängt sich die Frage auf, ob wir bei einer gefühlten Interaktion mit Medien überhaupt ein Gegenüber voraussetzen können oder nicht vielmehr eine Spiegelung unserer Identität oder Projektion von Bewusstsein vollziehen.
Lucas Zanotto installiert eine Reihe großformatiger kinetischer Skulpturen, mit denendie Besucher*innen vergebens Blickkontakt suchen. Der Sundance-Preisträger JeronBraxton verführt uns zur performativen Interaktion mit seinen polygonen Charakteren – doch was bleibt nach diesem Workout mit einem Avatar als virtuellem Spiegel? Und in einer seriell angelegten Gruppenarbeit erscheinen Figuren von Elenor Kopka, EranHilleli, Julian Glander, Laurie Rowan und Peter Millard als überdimensionale Hologramme, die auf die Besucher*innen reagieren und ihre Empathie wecken, sie aber durch eine überraschende Wendung stören oder ganz ins Leere laufen lassen. Die Besucher*innen können hier in der düsteren Atmosphäre des Silent Green erproben, was es heißt, virtuellen Charakteren zu nahe zu kommen.
Auch die Übergänge zwischen real und virtuell, analog und digital, Mensch und Maschine werden sichtbar. Der Filmemacher Nikita Diakur zeigt eine Videoarbeit, inder reale Aufnahmen seines Körpers in eine digitale Figur transformiert undmodellierbar gemacht wird. Und eine Gruppenarbeit zeigt die Finalisten des Open Calls Secret Sidekicks, bei denen die Teilnehmer*innen eine fotografisch dokumentierte Szene ihres Alltag mit einer fiktiven Figur überlagern sollten – »Augmented Banality« statt Augmented Reality.
Ausstellende Künstler*innen sind Jeron Braxton (USA), Nikita Diakur (DE), JulianGlander (USA), Eran Hilleli (ISR), Elenor Kopka (DE), Peter Millard (UK), LaurieRowan (UK) und Lucas Zanotto (IT).
Zur Eröffnung der Ausstellung und des Festivals am 8. Mai treten Fred und Luna auf – die beiden Mannequins und Musen des Musikers, Poeten, Foto-und Filmemachers Rainer Buchmüller, dessen zeitgemäße Kombination aus repetitiven Rhythmen, bezaubernden Melodien, elektronischen Klanglandschaften und Elementen der Krautrock-Ära als »Elektrokraut« gefeiert wird. Begleitet wird er von UFO Hawaii aka Achim Treu, bekannt als Musiker für Alec Empire, Der Plan oder Mutter, der den Abend mit seinen Klang-Collagen fortsetzt.
- INTER—FACES
Silent Green, Betonhalle, Gerichtstr. 35, 13347 Berlin
09. bis 12. Mai, 12:00 – 20:00, Eröffnung 8. Mai ab 18:00, Eintritt frei
Character Walk — Ausstellungsrundgang in Mitte
Der Character Walk führt durch acht Offspaces in Berlin-Mitte, die Arbeiten von zehn Künstler*innen aus den Genres Illustration, Animation, Digital Design und Comic erstmalig einem Berliner Publikum präsentieren. Der Rundgang startet am Alten St.-Marien-und St.-Nikolai-Friedhof an der Prenzlauer Allee, in dessen ehemaligem Verwalterhaus gleich vier Werkschauen zu sehen sind. Darunter ist der gefeierte Autor und Zeichner der Graphic Novels Hilda, die zuletzt auch als Animationsserie bei Netflix ein weltweiter Erfolg war, Luke Pearson. Neben Originalzeichnungen zeigt er Skizzen und Gegenstände, die seinen Schaffensprozess inspiriert haben. In der Projektgalerie Volume in der Brunnenstraße installiert der neuseeländische Illustrator und Animationsfilmemacher Rob Wallace aka Parallel Teeth die Installation Relax, eine Aufforderung, die die Besucher*innen durch die dabei eingespielte Drone Music in eine eigentümliche Stimmung versetzt. Bei White Concepts in der Auguststraße zeigt Félicie Haymoz Originalzeichnungen, Skizzen und Referenzen aus dem Schaffensprozess für Wes Andersons Film Isle of Dogs, dessen Character Design sie allein verantwortet. Gekrönt wird diese Ausstellung von zwei original Stopptrick-Puppen aus dem Film. Im spanischen Kulturinstitut Cervantes nutzen die beiden Kreativ-Duos Cabeza Patata und Twee Muizen das gesamte Medienspektrum für die Darstellung ihrer umfangreichen Universen: Masken, Puppen, Zeichnungen, Malerei, 3D-Modelle und Digitaldrucke. In der Galerie neurotitan im Haus Schwarzenberg in den Hackeschen Höfen zeigen 35 Alumni aus 18 Ländern, die die 7. Pictoplasma Academy im Herbst 2018 absolviert haben, eigens für die Ausstellung erarbeitete Werke.
Ausstellende Künstler*innen sind John Bond (UK), Cabeza Patata (ES/UK), Laura Callaghan (IRE), Yukai Du (CN), Félicie Haymoz (CH), Luke Pearson (UK), PhilippaRice (UK), Laurie Rowan (UK), Parallel Teeth (NZ), Twee Muizen (ES) und die Pictoplasma Academy 2018 Alumni.
- Character Walk
Start am Alten St. Marien- und St. Nikolai-Friedhof, Prenzlauer Allee 1, 10405 Berlin
8. bis 12. Mai, 12:00 – 20:00, Eintritt frei, für den Ausstellungsrundgang wird ein Plan ausgegeben.
Characters in Motion — Filmprogramme im Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz
Vier Programme in Spielfilmlänge zeigen Animationsfilme jenseits von Mainstream, Familienunterhaltung und Kindchenschema: Internationale Filmemacher*innen und Studios experimentieren mit Formensprache und Medien, und verhandeln Themen wie Selbstfindung, Herkunft, Zukunft, Einsamkeit, Bösartigkeit, Spiel und SocialMedia. Im Programm Character Journey werden Filme gezeigt, die von Reisen in unbekannte Welten oder neuen Begegnungen handeln. So erzählt Dal Park in ihrem animierten Dokumentarfilm West Question East Answer von einer älteren Frau in Korea, die Schwierigkeiten hat, eine Verbindung zu ihrer deutschen Enkelin aufzubauen. Louis Morton entwirft eine hypnotisch wirkende Insellandschaft in der Zukunft, auf der Menschen für eine Mission trainieren – und Teil eines komplexen Mechanismus mit merkwürdigen Wesen werden. Im Programm Character Crisis geht Anna Mantzaris unseren bösartigen Charakterzügen und den Fantasien nach, in denen wir anderen Schaden zufügen – ein humorvoller Streifzug durch Momente verlorener Selbstkontrolle. Negative Gefühle und Missstände bestimmen auch die anderen Filme, so die Revenge Story von Erin Kim, in der eine Ballerina Rache an ihrem sadistischen Chiropraktiker übt, dem sie das Ende ihrer Karriere vorwirft. Der alljährlich neu zusammengestellte, bereits legendäre Psychedelic Midnight Mix lässt alle gängigen Narrative vollends hinter sich: Auf dem Programm stehen Filme, in denen das Abseitige und ungewohnte ästhetische Formensprachen im Vordergrund stehen. Im Beitrag von Sophie Koko Gate hat die Protagonistin ihren perfekten Partner kreiert: eine gigantische Nacktschnecke. Die Schwierigkeiten dieser Paarbeziehung werden einfallsreich dargestellt. Und Kangmin Kim verarbeitet sein Trauma: ein großes Muttermal auf seinem Po, das, anders als von seinen Eltern vorausgesagt, mit zunehmendem Alter nicht verschwindet. Character Comfort versammelt zuletzt Filme, die den Zuschauer*innen Trost spenden. Jon Frickey erzählt die Geschichte eines Jungens, dem beim Arzt zwar eine harmlose Krankheit diagnostiziert wird, der daraufhin aber seine Identität in Frage stellt. Und Jola Bańkowska zeigt eine Reihe von Alltagsszenen, in denen Technologien omnipräsent sind und das Virtuelle in die Realität Einzug hält. Am Sonntag präsentiert das Best of Pictoplasma 2019 eine Auswahl von 20 Filmen aus allen vier Programmen – der perfekte Einstieg für alle, die nur wenig Zeit haben.
Es werden u.a. Filme gezeigt von Emory Allen, Will Anderson, Animade, Nolan J.Downs, Anna Ginsburg, Merijn Hos, Anna Mantzaris, Caitlin McCarthy, Joseph Melhuish, Moth Studio, Andrew Onorato, César Pelizer, Mikey Please & Dan Ojari, Frederic Siegel, Georgi Stamenov und Bruno Tondeur.
Characters in Motion – Filmprogramme im Babylon
09. Mai, 20:30 Programm Character Journey
10. Mai, 20:30 Programm Character Crisis
10. und 11. Mai, 22:30 Programm Psychedelic Midnight Mix
11. Mai, 20:30 Programm Character Comfort
12. Mai, 18:00 und 20:00 Programm Best of Pictoplasma 2019
- Babylon
Rosa-Luxemburg-Str. 30, 10178 Berlin
Eintritt 8€, Tickets an der Kinokasse
Publikumstag im Silent Green
Zum Abschluss des Festivals findet am Sonntag, 12. Mai im Silent Green ein Publikumstag mit Vorträgen, Diskussionsrunden, Performances und einem Workshop für Kinder statt. In der Kuppelhalle des Silent Green vertiefen Wissenschaftler*innen und Künstler*innen der Ausstellung Fragen zu Interfaces und Interaktion. Vorträge gehen den Fragen nach, wodurch etwas zu einem Interface wird und wie Character Design in verschiedenen technischen Medien wahrgenommen wird – ob auf einem Bildschirm, in einer VR-Umgebung oder in analoger Form. Diskutiert werden die ästhetischen Bedingungen, durch die wir Empathie empfinden und das in den SocialRobotics zu beobachtende Phänomen, Maschinen Gefühle zuzuschreiben. Performances beschließen das Programm in der Kuppelhalle. Parallel geben die Kuratoren der Ausstellung, Peter Thaler und Lars Denicke, zusammen mit beteiligten Künstler*innen Führungen in der Betonhalle und im Atelierhaus findet ein Programm für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren statt. Unter Leitung von Deborah Rodrigues aka Tartaruga Feliz, die mit ihren Glücks-Workshops eine Reihe von Education-Projekten realisiert hat, sind die Kinder in Gruppen eingeladen, aus verschiedenen Materialien und einfachen kleinen Motoren Figuren zu kreieren. Der Workshop beginnt jeweils zur vollen Stunde. Eine Voranmeldung ist nicht möglich.
- INTER__FACES – Publikumstag
Silent Green, Gerichtstr. 35, 13347 Berlin
12. Mai, 13:00 – 20:00, Eintritt frei
Cabeza Patata, Dancer, Digital Illustration, 2018